Was regeln Kollektivverträge in Österreich?
In diesem Themenbereich erhalten Sie einen allgemeinen Einblick in die Begriffe und in die häufigsten Inhalte der Kollektivverträge.
Im Kollektivvertrag sind viele Rechte von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen enthalten, die gesetzlich nicht oder nicht detailliert geregelt sind, z. B.:
- Mindestlöhne und -gehälter, Lehrlingsentschädigungen
- jährliche bzw. regelmäßige Erhöhungen der Löhne und Gehälter
- Lohn- bzw. Gehaltsschema mit Einstufung, Vorrückungen und Anrechnung von Vordienstzeiten
- Zulagen für bestimmte Tätigkeiten
- Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld
- Normalarbeitszeit zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche
- Überstundenzuschlag in der Höhe von 50 % und höher je nach Zeitpunkt der Arbeitsleistung (z. B. 100 % Zuschlag für Sonntage und Nachtarbeit)
- Höherer Grundstundenlohn für die Berechnung von Überstundenentgelt
- Zuschläge für Arbeiten in der Nacht oder an Sonntagen
- mehr Urlaub für Menschen mit Behinderung
- 24. und 31. Dezember als arbeitsfreie Tage
- Anrechnung von Karenzurlauben bei der Abfertigung
- Anrechnung des Karenzurlaubes für Vorrückung, Entgeltfortzahlung, Kündigungsfrist und Urlaubsausmaß
- Freizeitanspruch in bestimmtem zeitlichem Ausmaß für gewisse Ereignisse (Umzug, Hochzeit bzw. Eintragung einer Partnerschaft, Todesfall, Geburt, Behördenwege etc.)
- Regelungen für Dienstreisen, Aufwandsentschädigungen und Kilometergelder.
Begriffe und typische Inhalte in Kollektivverträgen
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Lohn und Gehalt
Mindestgehälter bzw. Mindestlöhne
In Österreich gibt es keine gesetzlichen Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter.
Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter müssen in Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden vereinbart werden.
Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen
Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen betreffen in der Regel die Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter und werden im Rahmen von Kollektivvertragsverhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverbänden vereinbart. Diese sind je nach Branche unterschiedlich ausgestaltet.
Lohn- bzw. Gehaltsordnung (-schema)
In den Kollektivverträgen gibt es eine Lohn- bzw. Gehaltsordnung mit allgemeinen Regeln zur Berechnung der Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter für die verschiedenen Tätigkeiten sowie ein Lohn- bzw. Gehaltsschema.
Verwendungsgruppen oder Beschäftigungsgruppen
Im Kollektivvertrag werden die Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter nach bestimmten Kriterien berechnet.
Die Verwendungsgruppen- oder Beschäftigungsgruppenschemata bezeichnen bestimmte berufliche Tätigkeiten und bilden die Grundlage für die Berechnung der kollektivvertraglichen Bezahlung in der vom Kollektivvertrag erfassten Branche.
Einstufungskriterien
Um kollektivvertragliche Mindestlöhne bzw. Mindestgehälter festsetzen zu können, werden Tätigkeiten nach verschiedenen Kriterien bewertet.
Zum einen umfasst dies die Umschreibung der ausgeübten Tätigkeit, die teils konkrete Berufsbezeichnungen enthält. Zusätzlich spielen noch Qualifikationen (wie beispielsweise Ausbildungen) und berufliche Erfahrung eine Rolle.
In Kollektivverträgen für Angestellte ist darüber hinaus die Anrechnung von Vordienstzeiten ein wichtiges Kriterium zur Gehaltsfestsetzung.
Umreihungen und Vorrückungen
In vielen Kollektivverträgen gibt es Regelungen für Vorrückungen und Umreihungen innerhalb der Lohn- bzw. Gehaltsschemata. Wichtig ist hier vor allem die Dienstzeit oder die Änderung der Tätigkeit.
Vorrückung bedeutet, dass der kollektivvertragliche Mindestlohn bzw. das kollektivvertragliche Mindestgehalt innerhalb einer Verwendungsgruppe erhöht wird – meistens ist dies nach einer bestimmten Zeit der Fall (z. B. nach zwei Jahren – „Biennalsprung“).
Bei der Umreihung werden Arbeitnehmer/innen innerhalb eines Lohn- bzw. Gehaltsschemas von einer Verwendungs- bzw. Beschäftigungsgruppe in eine andere Gruppe eingestuft. Oft erfolgt dies mit Wechsel der beruflichen Tätigkeit oder nach einer bestimmten Dienstzeit.
Arbeitszeit
Arbeitszeit ist die Zeit von Arbeitsantritt bis Arbeitsende ohne Berücksichtigung der Ruhepausen.
Wegzeiten zur Arbeit oder von der Arbeit sind grundsätzlich keine Arbeitszeiten. Hier sehen manche Kollektivverträge jedoch Regelungen vor, die für Arbeitnehmer/innen günstiger sind.
Normalarbeitszeit
Die gesetzliche Normalarbeitszeit beträgt 8 Stunden pro Tag bzw. 40 Stunden pro Woche.
In vielen Kollektivverträgen wird aber eine verkürzte Normalarbeitszeit (z. B. 38,5 Wochenstunden) vorgesehen.
Hinsichtlich der Verteilung der Wochenarbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage gibt es aber viele Ausnahmen. Z. B. ist für eine verlängerte Wochenendruhe durch einen „kurzen Freitag“ eine Ausdehnung der täglichen Normalarbeitszeit auf 9 Stunden erlaubt.
Teilzeitarbeit
Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die vereinbarte Wochenarbeitszeit unter der gesetzlichen oder kollektivvertraglich festgelegten Normalarbeitszeit liegt (z. B. 25 Stunden pro Woche).
Überstunden
Überstunden liegen vor, wenn Arbeitnehmer/innen über die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bzw. die tägliche Normalarbeitszeit von 8 Stunden hinaus Arbeitsleistung erbringen.
Die Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bzw. 8 Stunden pro Tag kann im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes aber auch anders verteilt oder verlängert werden (z. B. Gleitzeitvereinbarung, Durchrechnung der Arbeitszeit).
Überstundenzuschlag
Arbeitnehmer/innen erhalten pro geleistete Überstunde einen Zuschlag von mindestens 50 Prozent.
Wenn Arbeitnehmer/innen stattdessen Zeitausgleich vereinbaren, steht ihnen für eine Überstunde 1,5 Stunden Zeitausgleich zu.
Darüber hinaus sind in vielen Kollektivverträgen höhere Zuschläge für Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit vorgesehen.
Die Berechnungsgrundlage für die Zuschläge ist in der Regel die Normalstundenentlohnung (auch hier gibt es teils günstigere Regelungen in Kollektivverträgen).
Mehrarbeit
Mehrarbeit liegt bei Teilzeitbeschäftigten vor, wenn diese Arbeit über ihrem vereinbarten Normalarbeitszeitausmaß (z. B. 20 Wochenstunden laut Arbeitsvertrag) und unter dem gesetzlichen Normalarbeitszeitausmaß (in der Regel 40 Wochenstunden) liegt.
Erst über das gesetzliche Normalarbeitszeitausmaß hinaus geleistete Stunden sind Überstunden.
Mehrarbeitszuschlag
Pro geleisteter Mehrarbeitsstunde gebührt grundsätzlich ein gesetzlicher Zuschlag in der Höhe von 25 Prozent.
Davon gibt es Ausnahmen: Z. B. entfällt dieser Mehrarbeitszuschlag, wenn die Mehrarbeitsstunden innerhalb eines festgelegten Zeitraumes von drei Monaten durch Zeitausgleich (Verhältnis 1:1) konsumiert werden.
Kollektivverträge können hier ebenfalls anderes regeln (z. B. ab wann Mehrarbeitszuschläge anfallen).
Ist im Kollektivvertrag etwa eine Normalarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche und zuschlagsfreie Mehrarbeit im Ausmaß von 1,5 Stunden vorgesehen, gilt das auch für die Teilzeitbeschäftigten (d. h. 1,5 Stunden Mehrarbeit sind immer zuschlagsfrei).
Gleitende Arbeitszeit (Gleitzeit)
Wenn Arbeitnehmer/innen Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit innerhalb eines zeitlichen Rahmens selbst bestimmen können, wird von gleitender Arbeitszeit gesprochen.
In Betrieben mit Betriebsrat müssen Gleitzeitvereinbarungen in Form einer Betriebsvereinbarung geregelt sein. In Betrieben ohne Betriebsrat erfolgt dies durch schriftliche Einzelvereinbarungen mit den einzelnen Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen.
Durchrechenbare Arbeitszeit (Durchrechnungszeitraum, Bandbreitenmodelle)
In vielen Kollektivverträgen ist geregelt, dass die Normalarbeitszeit auf mehr als 40 Stunden pro Woche ausgeweitet werden darf (z. B. auf bis zu 44 Stunden), wenn im Durchschnitt innerhalb eines festgelegten Zeitraums die wöchentliche Normalarbeitszeit laut Kollektivvertrag (meist 38,5 Stunden) nicht überschritten wird. D. h. in einer Woche wird länger, in einer anderen Woche dafür kürzer gearbeitet.
Im Durchrechnungszeitraum fallen dann keine Überstunden an.
Schichtarbeit
Wenn mehrere Arbeitnehmer/innen einander an einem Arbeitstag auf einem Arbeitsplatz abwechseln („sich einen Arbeitsplatz teilen“), wird von Schichtarbeit gesprochen.
Die Arbeitszeiten der einzelnen Schichten müssen durch einen Schichtplan festgelegt werden.
Einarbeiten von Arbeitszeiten
Zur Erreichung einer längeren Freizeit in Verbindung mit Feiertagen können Arbeitnehmer/innen mit ihrem Arbeitgeber/ihrer Arbeitgeberin vereinbaren, dass an anderen Tagen der Woche dafür länger gearbeitet wird.
Dieses Einarbeiten kommt in der Praxis häufig in Verbindung mit Fenstertagen vor. Aber auch mehrere Arbeitstage können eingearbeitet werden (z. B. zwischen Weihnachten und Neujahr).
Feiertagsarbeit, Feiertagsruhe und arbeitsfreie Tage
Ist wegen eines Feiertages keine Arbeitsleistung zu erbringen, steht Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen jenes Entgelt zu, das ihnen normalerweise – also auch ohne Ausfall der Arbeit wegen des Feiertags – gebührt hätte („Feiertagsentgelt“).
Arbeiten Arbeitnehmer/innen an einem gesetzlichen Feiertag („Feiertagsarbeit“), bekommen sie neben dem Feiertagsentgelt entweder die gearbeiteten Stunden bezahlt oder sie vereinbaren Zeitausgleich im Ausmaß der geleisteten Stunden.
Dieser „Ersatzruhetag“ muss mindestens einen Kalendertag oder 36 Stunden umfassen.
Auch hier sehen Kollektivverträge häufig Regelungen vor.
Arbeitsfreie Tage
Arbeitsfreie Tage sind die gesetzlichen Feiertage in Österreich, an denen alle Arbeitnehmer/innen unter Fortzahlung ihres Entgelts frei haben.
Zusätzlich sehen Kollektivverträge branchenweise den 24. und den 31. Dezember als Feiertag vor.
Weiterführende Informationen finden Sie unter „Welche Arbeitszeit ist einzuhalten?“
Urlaubsjahr
Das Urlaubsjahr beginnt grundsätzlich mit dem Tag des Eintrittes des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin in den Betrieb (jeweils einjähriger Zeitraum). Es ist in der Regel mit dem Arbeitsjahr ident. Im Betrieb kann das Urlaubsjahr jedoch auch auf das Kalenderjahr umgestellt werden.
Urlaubsentgelt
Urlaubsentgelt ist das Entgelt (Lohn bzw. Gehalt), das Arbeitnehmer/innen während ihres Urlaubes erhalten.
Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen steht jenes Entgelt zu, das ihnen normalerweise – also auch ohne Urlaubsantritt – gebührt hätte (= Ausfallsprinzip – hier sind z. B. auch regelmäßig geleistete Überstunden zu berücksichtigen).
Das Urlaubsentgelt ist nicht mit dem Urlaubsgeld zu verwechseln. Urlaubsgeld wird zusätzlich bezahlt und ist eine Sonderzahlung.
Sonderzahlungen, Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld
Sonderzahlungen sind nicht gesetzlich, sondern vor allem in Kollektivverträgen geregelt.
Typische Sonderzahlungen sind das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld, die auch als „13. und 14. Monatsgehalt“, „Urlaubszuschuss“ und „Weihnachtsremuneration“ bezeichnet werden.
Urlaubs- und das Weihnachtsgeld werden meist im Sommer und Winter ausbezahlt und betragen jeweils etwa ein Monatsgehalt bzw. einen Monatslohn.
Entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen jedoch sind Sonderzahlungen für die Dauer der Entsendung oder Überlassung aliquot mit dem laufenden Entgelt zu leisten – im Regelfall bereits mit dem jeweiligen Monatslohn, auch wenn der Kollektivvertrag die Zahlung eines Gesamtbetrags erst zu einem späteren Zeitpunkt vorsieht.
Wird der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin auch nur tageweise nach Österreich entsandt, sind die Sonderzahlungen auch nur für diese Tage zu leisten.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Sofern nach der EU Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Arbeitnehmer/innen in Österreichisch sozialversichert sind, müssen im Falle einer Arbeitsverhinderung durch Krankheit Arbeitgeber/innen ihren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen für eine gewisse Dauer das Entgelt nach österreichischen Rechtsvorschriften weiterzahlen.
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer/innen im Krankheitsfall einen Entgeltanspruch für 6 Wochen.
Nach einem Dienstjahr erhöht sich der Anspruch auf 8 Wochen, auf 10 Wochen nach 15 Dienstjahren und auf
12 Wochen nach 25 Dienstjahren.
Kollektivverträge können günstigere Regelungen als das Gesetz enthalten.
Zulagen und Zuschläge
Zusätzliche Lohnbestandteile können in Form von Zuschlägen oder von Zulagen zustehen.
Zuschläge stehen z. B. für bestimmte Arbeiten zu: für Mehr- und Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit oder im Handel für Arbeiten während der erweiterten Öffnungszeiten.
Manche sind in Gesetzen geregelt, andere nur in Kollektivverträgen.
Zulagen sind meistens durch Kollektivverträge geregelt und finden sich in keinem Gesetz – z. B:
- Zulagen für Arbeiten außerhalb des Betriebs (z. B. Montagezulage)
- für erschwerte Arbeitsbedingungen oder
- Arbeit in der Nacht.